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Ein Tag im Krankenhaus oder: Wie ich verzweifelt versuche meine Nerven zu behalten

Dieser Beitrag liegt schon seit Monaten auf meiner Festplatte herum, vor ein paar Tagen habe ich ihn hierher übertragen, aber nicht veröffentlicht. Warum? Nun, der Beitrag ist wie immer sehr ehrlich und direkt und ich habe lange überlegt, ob ich dies wirklich ins Internet stellen soll. Jedoch siegt bei mir das Bedürfnis, ganz offen auszusprechen wie Pflege läuft. Und wie viel dabei falsch läuft. Also hier, ein ganz normaler Arbeitstag, mit ziemlich viel Scheiße.

 

Zwar bin ich noch keine fertige Krankenschwester, pardon Krankenpflegerin heißt es ja jetzt, sondern noch Schülerin, aber ich bin seit beinahe 3 Jahren nun in der Pflege unterwegs und habe da schon einen schönen Einblick. Der Ausblick ist eher weniger schön.

Die Pflegekräfte an sich haben es schon schwer. Die Bezahlung ist unter der Würde, genau so wie die Arbeitsbedingungen. Es fehlt an Personal und das nicht nur ein bisschen, sondern sogar sehr dramatisch. Die Politiker interessieren sich dafür leider nur peripher, denn denen wischt wahrscheinlich der Primar Universitätsprofessor Doktor Doktor Sowieso höchstpersönlich den Arsch aus, wenn sie mal alt werden. Die normalen Bürger gucken nämlich durch die Finger. Der Pflegemangel wirkt sich auch auf die Pflegequalität aus und die sinkt, trotz aller Bemühungen, immer weiter ab. Es gibt Tage da kommen 30 Patienten auf 4 Pflegekräfte. Ich habe auch schon von Stationen gehört, wo es noch schlimmer ist. 

Als Schüler bekommen wir das hautnah mit, denn eigentlich sollen wir zusätzlich eingeteilt werden, damit wir auch wirklich was lernen können. Theoretisch ist das ganz logisch, Pflege kann nicht nur theoretisch erlernt werden, sondern muss auch in der Praxis umgesetzt werden. In der Praxis aber sind wir eigentlich so gut wie nie zusätzlich da. Wir ersetzen dann Krankenstände und Urlaub. Auf uns lastet also bereits in der Ausbildung der Druck, dem auch die Fertigen ausgesetzt sind. Hier kommt aber noch dazu, dass wir ständig unter Beobachtung stehen und unsere Leistungen tagtäglich beurteilt werden, was wiederum einen Leistungsdruck erzeugt.

An den wenigen glücklichen Tagen kann ich mich zwischendurch mal hinsetzen und mit den Kollegen quatschen. An vielen unglücklichen Tagen flitze ich die ganze Zeit herum, wie dieses Eichhörnchen aus "Ab durch die Hecke" und arbeite an fünf Baustellen gleichzeitig. Während ich hier den Blutdruck messe, schenke ich dem Zimmernachbarn Wasser ein, höre dem dritten Patienten zu, der mir erklärt wo er genau Schmerzen hat und gebe gleichzeitig der Kollegin zu verstehen, dass im vierten Bett ein Stuhlmassaker passiert ist. Die meiste Zeit bräuchte ich eigentlich zehn Hände, um Verbände zu wechseln, Zugänge zu setzen, Blut abzunehmen und Infusionen anzuhängen. Fünfzehn Beine, um die Strecke von Dienstzimmer zu Patientenzimmer schneller zu schaffen, drei Köpfe, um alles zu behalten, was ich bei der Dienstübergabe höre, an die Zeiten zum Blutzucker messen, Antibiotika verabreichen und Essen austeilen zu denken, dreiundreißig Augen, um alle Patienten zu überblicken, die Ordnung im Zimmer im Blick zu haben und was zwischendurch meine Kollegen machen, dreizehn Ohren, um den Ärzten, den Kollegen, den Physiotherapeuten und den Angehörigen zuzuhören und sechzig Schultern zum Ausweinen, Anlehnen und Trost spenden, wenn es nötig ist. 

Und dies ist nur ein Bruchteil der Arbeiten, die ich den ganzen Tag verrichte. Während ich mich um diese Kleinigkeiten kümmere stehen auch noch die Körperpflege, die Medikamentengebarung, die Dokumentation, das Ausarbeiten der Visite, die Positionierung der Bettlägrigen, Aufnahmen und Entlassungen, Vitalparameter aufzeichnen und so weiter und so weiter an. Dies wird natürlich auf das ganze Team aufgeteilt, welches sich meist so zusammensetzt:

Vier fertige KrankenpflegerInnen, zwei SchülerInnen, eine Pflegeassistenz, eine Stationssekretärin, eine Abteilungshelferin. (Das ist jetzt Durchschnitt. Manchmal sind es mehr, meistens sind es aber viel weniger). Im Nachtdienst sind zwei PflegerInnen für die ganze Station verantwortlich. 

Wirklich in der Pflege arbeiten nur die ersten fünf genannten. Die Stationssekretärin ist für alles Organisatorische zuständig. Die Abteilungshelferin putzt Betten, füllt Lager nach, teilt Essen aus und erledigt solche Dinge. Die Stationen haben meist zwischen 30 - 35 Betten, die auch eigentlich so ziemlich immer belegt sind. Im Sommer ist es meist weniger, da die Menschen da nicht so große Lust auf Krankenhäuser haben. Aber immer noch genug.

Es gibt einen ungefähren Tagesablauf, aber wie das nunmal so ist, wenn man mit Menschen arbeitet (vor allem mit kranken Menschen): es kommt sicher nie so, wie man es erwartet. 

Das Patientengut ist ganz unterschiedlich, manche völlig mobil, manche bettlägrig, manche können im Rollstuhl durch die Gegend fahren. Da unsere Gesellschaft aber immer älter wird und die Multimorbidität zunimmt, ist meist zweiter oder letzter Fall zutreffend: Bettlägrig, oder so eingeschränkt, dass bei einigen Aktivitäten Hilfe von nöten ist. 

Und jetzt muss ich es nochmal sagen: wie das so ist mit Menschen...die reden. Und kranke, ältere Menschen machen das besonders gern und viel. Und weil man mit denen eh schon intim ist, reden die mit einem auch über alles. Auch über Dinge, die man weder wissen will, noch für die Arbeit nötig sind. In einem Krankenhaus fallen so ziemlich bei jedem die Hemmungen, bei Männern noch eher als bei Frauen. Wir bemühen uns zwar um Privatsphäre wo es nur geht, aber dennoch stoßen wir vor allem im Krankenhaus dabei an unsere Grenzen.

Wie schaffe ich also so einen Tag? Lasst euch überraschen:

 

Mein Tag beginnt um 5 Uhr morgens, wenn der Wecker mich aus dem Bett wirft. Na gut, ich falle aus dem Bett und liege dann noch 15 Minuten apathisch am Boden, wie ein gestrandeter Fisch. Oder besser: gestrandeter Wal, denn meine Eleganz hat mehr von Walross als Meerjungfrau. Ich strauchel zur Kaffeemaschine, baller mir in einer viertel Stunde so viel Koffein rein, wie nur möglich, dackel ins Bad und suche nebenbei mein Zeug zusammen. Um 5:55 schlage ich am Arbeitsplatz auf, rauche noch eine, gebe mir noch ne Dröhnung Kaffee, schmeiße mich in mein schlumpfblaues Gewand und schlurfe auf Station. Um 6:20 sitze ich im Dienstzimmer am Tisch, suche meinen Übergabezettel und in den untiefen meiner tausend Taschen nach einem Kulli (finde aber nur Scheren, Leukoplast, Feuerzeug und Kleingeld) und schütte mir die vierte Tasse Kaffee rein. Punkt 6:30 legen wir mit der Dienstübergabe los und besprechen Zimmer für Zimmer, Patient für Patient durch. Während der Dienstübergabe klingelt es gefühlt fünfzig Mal. "Schwester, ich muss aufs Klo.", "Schwester, kann ich jetzt duschen?", "Schwester, ich will frühstücken." Die Hälfte der Dienstübergabe verbringe ich also in Patientenzimmern und erkläre entweder, dass wir eh gleich kommen, oder dusche bereits einen Patienten, dessen Ausdünstungen schon im Nebenzimmer zu riechen sind. Um 7:15 schwärmen wir, bewaffnet mit Pflegewagen und den Kurven der Patienten, in die Zimmer aus. Es beginnt der tägliche Kampf.

Körperpflege hier, Duschen da, Zähne putzen mit dem, Blutbad beim Rasieren. Na gut, kein Blutbad, aber vertraut mir: Es ist wahnsinnig schwer die faltige Haut eines Mannes mit diesen dämlichen, billigen Einwegrasierern vernünftig zu rasieren. Vor allem, wenn einem der selbe Mann ungeniert auf den Arsch haut, oder einen Hustenanfall kriegt, an dem er beinahe erstickt. 

Gleichzeitig werden die Medikamente und das Frühstück ausgeteilt, sowie alle Vitalparameter gemessen. Betten werden frisch bezogen und die wichtigste Frage des Morgens: "Wann war der letzte Stuhlgang?"

Patienten die schon länger auf Station sind, sind bereits so auf diese Frage fixiert, dass sie es einem oft beim Betreten des Zimmers entgegenbrüllen, sodass die Stationsleitung drei Stationen über einem das noch hört. "Schwester! Ich war heute schon Scheißen! Richtig schöner Haufen!"

Ihr glaubt das ist ein Witz? Nein, sowas höre ich öfter. 

Man beginnt gemeinsam in einem Zimmer und verliert auf dem Weg durch die Zimmer immer eine Pflegekraft, denn in jedem Zimmer ist irgendjemand, der einen länger in Beschlag nimmt, bis man zum Schluss alleine dasteht und sich in der Unterzahl fühlt. Es kommt drauf an, wie die Zimmer belegt sind, aber durchschnittlich ist man zwischen neun und zehn Uhr mit der Körperpflege fertig. Tendenziell eher später. Da unter der Woche am Vormittag die ganzen Untersuchungen stattfinden, stehen im Minutentakt die Zivildiener da und entführen einem die Patienten. Bei manchen kommt man drauf, dass ihnen für die Untersuchung noch ein Zugang fehlt, weshalb man so schnell als möglich versucht eine Nadel in eine Vene zu bugsieren. Um 10 Uhr darf man aber bloß nicht vergessen, dass man den Blutzucker bei einigen messen muss. Währenddessen hat aber auch schon die Visite begonnen. So gegen 11 Uhr schafft man es endlich zur ersten Runde Dokumentation, welche mit einem Programm geschieht, das ich am liebsten tausend Mal zum Teufel jagen möchte. Dieses Programm ist wahnsinnig unübersichtlich und nervenaufreibend. Alle Tätigkeiten werden akribisch dokumentiert, der Pflegeplan muss abgezeichnet werden, es muss ein Berichteintrag erfolgen und eine Einstufung des Patienten, nach einer bestimmten Regel. Diese Regel (Pflege - Personal - Regelung) entscheidet darüber, wie viele Pflegekräfte einer Station zustehen. Fällt die PPR - Einstufung gering aus, so können Stellen gekürzt werden. Fällt sie hoch aus, so braucht man weitere Pflegekräfte, die man aber eh nicht bekommt, weil es keine gibt. 

Nach der Doku, die oft einiges an Zeit beansprucht, weil man den Laptop verprügeln muss, flitzt man umgehend wieder durch die Zimmer, um die Patienten zu mobilisieren und sie in angemessene Positionen zu bringen, denn zwischen halb 12 und 12 teilt man Mittagessen aus. Zusätzlich dazu werden auch wieder Medikamente ausgegeben. Bei einigen Patienten bleibt man stehen, weil man das Essen anrichten oder eingeben muss. Gegen Mittag geht dann die erste Gruppe des Teams in die Pause. Eine halbe Stunde. Der Rest hilft dann beim Essen einsammeln, positioniert die Patienten und dokumentiert dies wieder. Zwischendurch hängt man eine Infusion an oder ab, wechselt hier und dort Verbände, geht mit dem und der aufs Klo, oder reicht das Steckbecken, bringt der oder dem Wasser / Tee, füllt den Pflegewagen nach und macht eine Flächendesinfektion, sammelt benutzte Handtücher zusammen, wechselt die Wäschesäcke, nimmt Blut ab, schickt dieses Blut ins Labor, richtet Infusionen oder Medikamente, misst Patienten, deren Vitalparameter nicht passten nochmal nach. Die Gruppenschwester war in dieser Zeit damit beschäftigt die Visite auszuarbeiten, Kleinigkeiten zu justieren, mit Angehörigen, Heimen, Rehaeinrichtungen und Ähnlichem zu telefonieren, Medikamente auszutauschen, mit den Ärzten zu diskutieren, Entlassungen vorzubereiten, Aufnahmen einzugeben. Nach der halben Stunde Pause, meistens so um 13 Uhr geht man wieder eine Runde durch. Man misst die Patienten erneut, trägt das ein, kümmert sich um das, was im Zimmer so ansteht (Ordnung ist essenziell). 

Nachmittags kehrt eigentlich etwas Ruhe auf Station ein. Sofern man nicht die Dauerklingler hat, die permanent auf der Glocke hocken. Als Schülerin endet mein Arbeitstag nach 8 oder 9 Stunden, also so um 15 oder 16 Uhr. Die Diplomierten dürfen aber ihre 12er Schichten runterreißen, was bedeutet, dass sie um 19 Uhr abends das Haus wieder verlassen.

Das wichtigste an so einem Tag ist einfach nur die Nerven zu behalten, was oftmals wirklich schwierig ist. Nicht selten möchte man alles hinschmeißen, wenn ein Patient beginnt seine künstlerischen Fähigkeiten zu entdecken und meterhohe Wandgemälde aus Stuhl an die Wände zu punchen. Manchen Patienten möchte man die Glocke aus dem Fenster schmeißen, wenn sie im 5 Minuten Takt läuten, um jedes Mal wieder zu sagen "Das war keine Absicht, nein ich brauche nichts." 

Hin und wieder kommt einem der böse Gedanke, dass man bestimmte Patienten einfach sedieren sollte, wenn sie unpassende Sprüche bringen. Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft mir Dinge alá "Schätzchen", "Prinzessin", "Mäuschen" nachgerufen werden. Ich werde auch nicht mehr sauer, wenn mir auf den Arsch gepackt wird, ich weise die Patienten nurmehr darauf hin, dass dies ungebührlich ist. Ich kontere blöde Sprüche mittlerweile im Schlaf und rege mich schon gar nicht mehr auf, wenn ein Patient fünf Minuten vor Dienstschluss eine so heftige Sauerei anrichtet, dass ich sicher dreißig Minuten drüber arbeite. 

 

Wie schaffe ich es, meine Nerven zu behalten?

Nun, ich mache meinen Beruf gerne. Wenn ich endlich nach Hause stolpere, ausgelaugt und fertig, meine Füße auf das doppelte angeschwollen sind, vom ganzen Herumrennen und mein Rücken streikt, sodass ich nicht mal mehr meine Schnürsenkel vernünftig binden kann, dann weiß ich: ich habe den ganzen Tag etwas Sinnvolles getan. Zu irgendeiner Zeit an diesem Tag, habe ich die Lebensqualität eines Menschen positiv beeinflusst. Irgendjemandem habe ich bestimmt ein Lächeln auf die Lippen gezaubert. Irgendwem habe ich die Seele erleichtert, durch den bloßen Umstand zugehört zu haben. Es ist für mich eine Bereicherung und auch eine Tugend. Dieser Beruf ist bestimmt kein Zuckerschlecken und man muss einiges ertragen. Es gibt vieles, unzählige Dinge, die völlig falsch laufen und die mich aufregen. Ich jammere auch des Öfteren mal, wenn ein Tag besonders anstrengend war. Aber ich gehe schlafen in dem Bewusstsein, dass ich etwas Gutes zur Gesellschaft beigetragen habe. Ich arbeite deshalb so gern mit Menschen, weil kein Tag dem anderen gleicht. Es ist Aufregung, Spannung, Adrenalin, Freude. An einem Tag wird das ganze Spektrum der Gefühle einmal abgeklappert. Jeden Tag werde ich vor neue Herausforderungen gestellt, die ich irgendwie meistere. Durch diesen Beruf muss ich mich jeden Tag selbst reflektieren, was mich zu einem viel besseren Menschen macht. Seit ich diese Ausbildung begonnen habe, habe ich mich außerdem verändert. Ich habe viele Eigenschaften abgelegt und einige neue entwickelt. Ich bin immer noch weit davon entfernt, der Mensch zu sein, der ich sein möchte, aber ich bin auf dem richtigen Weg dahin. 

Jeder, der mir gegenüber erwähnt, dass er diesen Beruf wählen möchte, dem rate ich eins:
Macht euch klar was es bedeutet. Denn es bedeutet, dass ihr morgens eine Zimmertür öffnet und euch ein Geruch entgegenschlägt, der an eine Kläranlage erinnert.

Macht euch bewusst, dass Menschen nicht nur dankbar sind. Einige werden euch verbal und körperlich angreifen, weil sie eine Behandlung nicht wollen.

Macht euch bewusst, dass ihr das Leben eines Menschen in der Hand habt. Eine falsche Medikation in einem unachtsamen Moment und der Mensch ist tot.

Macht euch bewusst, dass ihr die Menschen nicht immer nach Hause entlasst. Manche werdet ihr begleiten, während sie sterben.

Macht euch bewusst, dass ihr jeden Tag körperlich und psychisch gefordert werdet.

Gegenüber dem steht jedoch eins: Ihr habt es in der Hand, das Leben von so einigen Patienten für eine gewisse Zeit viel besser zu machen. Es ist es eindeutig wert.

 

Und noch zum Schluss eine kleine Bitte (vor allem an die Männer): Wenn ich euch gegenüber meinen Beruf erwähne, dann sind folgende Aussagen völlig fehl am Platz:
"Toll, dann kannst du mich ja auch mal pflegen. ;) ;) ;)". - Klar, du Gesichtsgulasch. Nachdem ich dir ein Darmrohr ohne Gleitmittel, mit fünf Meter Anlauf in dein Arschloch gerammt habe, sodass man es als Tubus verwenden kann, wünscht du dir bestimmt, dass ich dich pflege. Ich kann auch Dart spielen und dir die Nadeln zum Blut abnehmen aus einem gewissen Abstand in deine Venen pfeifen.

"Also so richtig sexy, mit kurzem, knackigen Outfit?". - Von mir aus, aber du musst damit rechnen, dass an diesem Outfit Blut, Urin, Stuhl und was ein Körper sonst noch alles produzieren kann, dranklebt. Wenn das deinen Vorstellungen entspricht, dann bitte.

"Oh, dann hör mich mal ab und sag mir, was mein Herzschlag sagt." - Arrhytmien. Das sagt dein Herzschlag. Du solltest dich wirklich abchecken lassen, ich glaube, du fällst sonst tot um.

"Ich hätte nichts dagegen, wenn du mal meine Nachtschwester bist." - Doch, hättest du. Wenn ich nämlich um zwei Uhr morgens ins Zimmer komme und dir eine Infusion anhänge und dabei noch kurz nen Zugang lege, weil deiner rausgegangen ist. Hier werde ich bestimmt mal wieder meine Dartfähigkeiten verfeinern.

Und außerdem:

Hört auf mich nach euren Wehwechen zu fragen. Ich bin kein Arzt und ich werde euch bestimmt nicht diagnostizieren. Ihr werdet von mir sowieso nur hören: "Könnte das oder das sein. Oder Krebs."

Wenn ihr wirklich was habt, dann seid ihr hoffentlich so intelligent und stellt euch bei eurem Hausarzt vor.

 

Gesundheitsberufe. Sie sind anstrengend und oftmals wenig schön, aber so wichtig. Und manche sollten sich alsbald bewusst werden, dass wenn die Zahl der Ausübenden abnimmt, irgendwann niemand mehr euren Arsch abwischt, wenn ihr euch eingschissen habt. Ihr solltet euch bewusst werden, dass niemand am Lebensende da ist, der eine adäquate Ausbildung und fachliche Expertise einbringt, und es euch so angenehmer macht. Es muss was geschehen und das schnell. Ich dramatisiere hier nichts. Ich beschönige auch nichts. Die kalten, harten Fakten sehen so aus:
Die Gesellschaft wird immer älter und die Multimorbidität nimmt zu. Im Gegensatz dazu werden die Arbeitnehmer immer weniger und die Pflegekräfte nehmen immer weiter ab. Viele Faktoren führen dazu, dass eine kleine Gruppe von gut ausgebildeten Fachpflegern einer riesigen Gruppe von Pflegebedürftigen gegenüberstehen. Dies führt dazu, dass sich diese Fachkräfte zu Tode schuften, während die Pflegebedürftigen keine gute Pflege mehr bekommen. 

Die Politik sieht dieses Problem nicht. Die Gesellschaft bekommt es nur am Rande mit.

Es ist Zeit etwas zu unternehmen. Es ist Zeit dagegen vorzugehen. Ansonsten geht uns die Zeit aus.

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Kommentare: 3
  • #1

    Alien Anja (Samstag, 21 Juli 2018 21:24)

    Ich habe riesen Respekt vor den Menschen, die diesen oder ähnliche Berufe wählen! Du brauchst ein fundiertes Wissen, Nerven aus Draht und musst dennoch möglichst emphatisch und feinfühlig sein und stark genug, dass alles nach Dienstschluss nicht mit nach Hause zu nehmen... ich stell mir deinen Alltag unglaublich anstrengend vor und ziehe meinen Hut vor dir! Ich wünsche dir, dass du immer genug Kraft aus den positiven Momenten deines Berufsalltags ziehen kannst, damit du den Rest überstehst.
    Danke für diesen ehrlichen Einblick.

  • #2

    Mami (Dienstag, 24 Juli 2018 12:14)

    Du hast mir aus der Seele gesprochen. Bist halt ganz mei Kind. Bussi weiter so.

  • #3

    Petra Brüning (Samstag, 28 Juli 2018 07:55)

    Weiter so deine Gedanken sind so richtig habe mich in so vielen wiedergefunden. .zur Zeit arbeite ich in der ambulanten Pflege bei der Caritas doch egal was passiert wir werden gebraucht...sei stark du schaffst das schon. . .glaube mir ...leicht ist unser Beruf wirklich nicht..danke für deine Ehrlichkeit. ....