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Nervöse Blähungen oder: was den Menschen alles peinlich ist

Prüfungen und ich haben ein großes Problem miteinander. Das beginnt bei meinem Zeitmanagement, von dem wir bereits wissen, dass es mies ist. Meistens läuft das so, dass ich eine Woche vor der Prüfung ziemlich langsam beginne meine Unterlagen zusammenzusuchen. Mit langsam meine ich: Ich erstelle einen Ordner und ziehe jeden Tag 1 - 2 Dokumente da rein. Gucke mir die etwas an und denke mir "Ach. Das ist ja nicht so viel." Man sollte mir eigentlich eine klatschen und zwar mitten in die Fresse. Mehrmals. Dummheit ausprügeln. Zwei Tage vor der Prüfung drucke ich alles aus und bewaffne mich mit meinen Textmarkern. Wenn das alles ausgedruckt vor mir liegt, brauche ich erstmal eine Pause. So ungefähr zwei Stunden (ca. zwei Folgen Grey´s Anatomy). Dann heule ich noch eine halbe Stunde, denn es ist bestimmt mehr als ich gedacht hatte. Viel mehr. Ungefähr so viel, dass ich das in zwei Tagen unmöglich in meinen Kopf hämmern kann. Dann beginne ich endlich, streiche die erste Überschrift an und…bekomme einen Wutanfall, der jedem trotzigen Kleinkind alle Ehre macht, denn der scheiß Textmarker ist leer. Wie das geht, weiß ich nicht. Wahrscheinlich kommen des Nachts die kleinen Heinzelmännchen und klauen die Minen meiner Textmarker. Ich muss also beinahe eine Stunde die Wohnung auf den Kopf stellen, um aus allen Ecken die Leuchtstifte zu pulen. Nachdem ich dann festgestellt habe, dass alle leer sind (hier kriege ich meistens noch einen Wutanfall, oder schmeiße mich in Fötushaltung auf den Boden und hyperventiliere) gehe ich also noch Textmarker kaufen. Das dauert auch zwei Stunden, denn wenn ich beim Libro stehe, dann sehe ich gleich noch drölf andere Sachen, die man mitnehmen könnte und wäge dann ewig ab, ob ich das brauche und mein nicht - vorhandenes Geld jetzt dafür ausgebe. Meistens komme ich heim, wie ein Packesel mit mehreren Tüten, und muss dann meine Einkäufe begutachten. Man muss sich ja anschauen, wofür man sein Geld rausgeschmissen hat. Und Wahnsinn für welchen Blödsinn ich mein eh schon knappes Geld verprasse. Kann mir mal jemand eine rein hauen, damit ich endlich zur Vernunft komme? Nein? Na gut. Ich bin folglich nicht nur die Pickelprinzessin, ich bin weiters auch die Queen der Prokrastination. Wenn ich dann auf die Uhr schaue, ist ein Lerntag beinahe verstrichen, also schmeiße ich mich vor die Unterlagen und gehe das wie besessen durch (manchmal glaube ich dann, dass mir ein Exorzismus ganz gut tun würde), nur um über den Unterlagen einzuschlafen und diese vollzusabbern. Wenn ich am nächsten Tag aufwache habe ich nicht nur ein schlechtes Gewissen, ich bin auch maximal gestresst. Ich schieße wie eine Kanonenkugel durch meine Wohnung, stolpere über meine Unordnung (am Ende des Tages kann ich meistens einen Salto und / oder Flickflack über mein Zeug) und versuche mich in eine mental normale Verfassung zu begeben. Dies fordert meist an die 3 Liter Kaffee, eine heiße, 30 - minütige Dusche und viele Selbstgespräche, in denen ich mich selbst antreibe, motiviere und zusammenscheiße, wenn ich mich wieder mehr mit einem Fussel, als meinen Unterlagen beschäftige. Das Problem hierbei: ich bin keine mental stabile, glückliche Person. Ich bin dunkel, irgendwie verdreht und mir fehlen ziemlich viele Latten am Zaun, wenn nicht der ganze Zaun. Also brauche ich beinahe den ganzen Tag, um mich zu überwinden. Es erfordert einen Heulkrampf, einen wütenden Tobsuchtsanfall und ziemlich viele Gummibärchen, sowie eine schlaflose Nacht, damit ich mich vorbereitet fühle. Zumindest für fünf Minuten. 

Wenn ich am Tag der Prüfung am Tor der Hölle ankomme, dann hat sich mein Magen - Darmtrakt in einen heißen Klumpen verwandelt und mir ist speiübel. Das größere Problem ist aber: nervöse Blähungen.

Oh mein Gott, hat sie das gerade wirklich im Internet geschrieben?! Das Internet vergisst nie!!!!!!!!!!!1elf! Jeder kann sehen, dass Daisy nervöse Blähungen hat !!!!!!

Damit kommen wir zum brisanten Thema: Was den Menschen alles peinlich ist.

 

Ohne Scheiß (höhö, flacher Wortwitz)! Derjenige oder diejenige, die noch nie einen Furz klingen lassen hat, der tut mir leid! Und ich weiß auch ganz genau, dass ich nicht die einzige mit nervösem Magen bin.

Leute, warum sind Flatulenzen so verpönt, hm? Ich verstehe es nicht. Dass unser Darm Gase produziert ist allseits bekannt. Ich meine, sowas nennt man bio - chemische Reaktion. Erbrechen ist eine ähnliche Reaktion. Und, Trommelwirbel, Liebe ist auch eine verdammte bio - chemische Reaktion! Oh ja. Ich vergleiche hier gerade Liebe mit Furzen. Und das ist nicht mal so weit hergeholt. Beides beginnt mit einem Kribbeln im Bauch und endet mit wohliger Wärme. Oder mit Scheiße, wenn es schief geht.

Natürlich stell ich mich nicht vor meine Prüferin und furze da erst mal ne Melodie. Ich bin gut erzogen und verkneif mir das, oder gehe vorher noch aufs Klo. Aber wenn mir mal was entfleucht, dann hilft auch alles Arschbacken zusammenpressen nichts. Augen zu und durch…oder besser: Nase zu und durch. Wobei ich Menschen kenne, deren Fürze ätzend für Schleimhäute und Augen sind. Hier empfehle ich ausreichend Sicherheitsabstand und Raumdeos. Also, warum spricht da niemand drüber? Warum werden alle leise, oder rot, oder schämen sich, wenn sie mal Blähungen haben. Muss ja nicht mal nervös sein. Kann auch von dem letzten Döner um 4 Uhr morgens sein, wenn man stockbesoffen heimwankt (wobei diese Fürze bestialisch sind, ich spreche aus einer Erfahrung heraus, die ich gerade so ohne bleibende Schäden überlebt habe. Das war ein Giftgasanschlag sondergleichen.)

Vielleicht liegt es an meinem Beruf. Denn nicht nur das Auge wird bei uns beansprucht, sondern auch der Geruchssinn. Wenn man mal jemanden abführt, der mehrere Tage keinen Stuhl hatte..na, ich lass die Ausführung lieber, bevor hier die bio - chemische Reaktion bei einigen einsetzt und sie sich über den Laptop erbrechen. Ich bin abgehärtet, das stimmt. Aber selbst ohne diese täglichen Angriffe auf meine Riechzellen, würde ich es nicht peinlich finden.

 

Tampons kaufen, das frauliche Problem schlechthin. Die ganze Welt, wirklich JEDER Mensch, weiß, dass Frauen einmal monatlich bluten. Manche sogar, als hätte man eine Sau geschlachtet. Aber ich kann immer wieder Frauen beobachten, die im Supermarkt an der Kasse, blitzschnell Tampons oder Binden auf das Band schmeißen und dann ihre restlichen Einkäufe rundherum drapieren, damit niemand sieht, dass sie Tampons kaufen. Manche von ihnen wenden sich sogar panisch um, um zu kontrollieren, ob das eh niemand gesehen hat. Was machen denn diese Frauen mit ihrem Freund?! Setzen die sich einmal im Monat ins Ausland ab, verbarrikadieren sich in einem heruntergekommen Motel und stopfen Schokolade in sich rein, denn ihr Freund könnte bemerken, dass sie ihre Tage haben? Öhm…sieht eigentlich noch wer, dass das bescheuert ist? Ja? Gut, ich dachte nämlich schon, ich werde verrückt. Denn wenn ich einen Mann in meinem Leben habe, dann kriegt der das auch ab, wenn ich einmal im Monat noch verrückter werde als sonst schon. Und wenn der einkaufen muss, dann sag ich ganz selbstverständlich, dass er Tampons mitbringen muss. Wenn er es nicht tut, weil er ja ein Mann ist und keine Tampons kauft, dann neige ich (eigentlich Pazifistin) zu häuslicher Gewalt. Wobei diese eher verbal ist und seine Männlichkeit verletzt. Liebe Männer: Es ist nicht peinlich Damenhygieneartikel zu kaufen. Niemand wird glauben, dass ihr weniger männlich seid. Die Frauen denken sich eher, dass es schön ist, wenn sich jemand um seine Freundin kümmert. Lasst euch das von einer Frau gesagt sein, deren Ex - Freund des Öfteren Tampons für sie gekauft hat.

 

Das schlimmste Problem auf dieser Erde scheint aber Klopapier zu sein. Ich habe eine Bekannte, die 2 Minuten Fußweg vom Supermarkt entfernt wohnt. Sie geht immer zu Fuß einkaufen, außer, wenn sie Klopapier braucht. Unglaublich, aber sie fährt dann mit dem Auto! Warum?! Ihre Antwort rief bei mir noch mehr Ungläubigkeit hervor (gähnender Esel incoming). Denn das Klopapier kann man in den Taschen nicht verstecken, das sehen ja dann die Leute! Wie bitte?!

Lasst mich eins festhalten: Jeder Mensch muss aufs Klo. JEDER. Und jeder Mensch kauft Klopapier. Ich würde mir ehrlich Sorgen machen, wenn das jemand nicht tut. Dann muss ich mich fragen, womit sie sich sonst den Arsch auswischen. Mit ihrer Katze?! Also mal ehrlich.

 

Wir leben in einer Welt, in der Ausscheidungen genauso verheimlicht und tabuisiert werden wie sexuelle Neigungen, oder der Tod. In meinem ersten Beitrag erwähnte ich das Problem mit den Masken: wir verstecken uns wo wir nur können. Perfektion ist erstrebenswert. Eltern stecken ihre Kinder, sobald sie laufen können, in alle möglichen Kurse. Chinesisch, Ballet und Klavier. Spanisch, Leichtathletik und Gitarre. Auszeichnungen und Preise müssen gewonnen werden. Wir gehen an unsere Grenzen und darüber hinaus, um etwas vorweisen zu können. Reichtum, Abschlüsse (am besten mit summa cum laude), Beziehung, Schönheit. Die Liste, von dem was wir sein sollen, ist endlos lang. Und dazu gehört auch, dass man versteckt, wer man wirklich ist. Da gibt es Menschen, die sind homosexuell. Aber das leben sie nicht aus, denn die Gesellschaft kommt noch nicht damit zurecht. Es gibt Menschen, die stehen auf BDSM, aber das leben sie nicht aus, weil die Gesellschaft es krank findet. Da sind Jugendliche, so wie ich es bin, die gerne Shakespeare und Lessing lesen, auch auf Englisch, aber das tut man nicht offen, denn dann ist man nicht "fresh" (sagt man das so? Als ich 16 war hieß es auf jeden Fall noch "cool"). Es gibt Menschen, die könnten 24 / 7 trainieren und wären immer noch schlaksig, deshalb schmeißen sie Anabolika, denn wenn man keine Muskeln hat ist man ein Lauch und das ist nicht cool (oder "fresh". Kann mich da jemand aufklären??). Es gibt Menschen, die haben Krankheiten und wiegen deshalb mehr, als das Schönheitsideal will. Sie verstecken sich unter zeltplanartigen Kleidungsstücken, um jedes noch so winzige Speckröllchen zu kaschieren. Auch hier kann ich ewig so weiter machen.

Und was bringt uns die Perfektion? Im Tod sind wir alle gleich. In der Verwesung liegt nichts schönes, auch nicht in Asche. Was nutzen mir die Kurse und Stunden, die Preise und Auszeichnungen, der Reichtum, die Abschlüsse, die Schönheit, wenn ich irgendwann alt bin? Dann sind das alles nur Erinnerungen und Geschichten, die ich niemandem erzählen kann, weil niemand da ist. Denn wenn wir uns so hetzen, um perfekt zu sein, verlieren wir Lebenszeit und Menschen. Beziehungen brauchen Zeit, um gepflegt zu werden und wo diese Zeit fehlt, da gibt es keine Beziehungen. Mit all der Perfektion kann ich im Alter nichts mehr anfangen, niemand hört dann meine Geschichten.

Ihr seht, ich habe ein wahrliches Problem mit der Gesellschaft und ihren Idealen.

 

Ich will zum Schluss auf mein Leben blicken und sagen, dass ich nichts bereue. Ich will die Lieben um mich herum mit verrückten Geschichten erheitern, will etwas erzählen können. Deshalb scheiße ich auf diese Ideale.

Ich tue, was mir Spaß macht. Dann hab ich eben ein paar Kilo zu viel, aber dafür Arsch in der Hose, auf den man mal draufhauen kann, ohne dass mein Becken zersplittert. Dann ist eben die einzige Fremdsprache, die ich beherrsche, Englisch und ich schlittere in lustige Situationen, wo ich mich mit Händen und Füßen verständigen muss. Dann spiele ich halt kein Instrument, ich bin sowieso zu blöd dafür und entlocke eine Gitarre nur ein paar Jauler, die Hunde verrückt machen. Dann schließe ich meine Ausbildung eben nicht mit Auszeichnung ab, dafür bin ich trotzdem hervorragend, indem was ich tue, weil ich es gern tue. Ich schenke mir selbst Lebenszeit, indem ich nicht auf andere höre, mich nicht von Werbung beeinflussen lasse. Ich schenke mir selbst Zeit, um die Dinge zu tun, die meine Seele zum Klingen bringen. Jeder von uns hat eine innere Melodie, einen Klang in der Seele. Wir verlieren diese Melodie mit der Zeit und dem Erwachsensein. Aber weil sie die schönste Melodie ist, will ich sie nie verlieren und versuche sie sooft als möglich erklingen zu lassen. Dies geschieht mit Dingen, die mir gut tun. Menschen, die mich lieben. Arbeit, die mich erfüllt.

Und ich appelliere an jeden: Kauft euch Tampons und tragt sie in die Welt. Lasst einen Furz los, der nach Verwesung riecht und habt Lachflashs, wenn euer Partner panisch flüchtet. Esst diesen verdammten Kuchen, egal wie viele Kalorien er hat. Küsst diesen einen Menschen, egal welches Geschlecht er hat. Tut verdammt nochmal alles dafür, um später Geschichten zu erzählen, die gehört werden wollen.

Seid peinlich, frei und lacht über euch selbst. Macht euch das Geschenk des Lebens selbst.

 

Ich habe den letzten Absatz mehrmals gelesen und bemerkt, dass ich meinen Humor kurzzeitig verloren habe. Keine Sorge, ich hab ihn wieder gefunden. Er hatte sich heulend, mit der Tequilaflasche verzogen, weil ich so viel Ernsthaftigkeit zugelassen habe. Aber nebst all den peinlichen Geschichten, muss ich hin und wieder eine Message bringen.

Ich habe meine Prüfung gestern geschafft, sogar ohne vor der Prüferin zu furzen und dabei gleich mal eine neue Peinlichkeit erlebt. Die hebe ich mir für morgen auf. Bis dahin: lebt! Humorvoll und ernst in ausgewogenem Maße, um eurer selbst willen.

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