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Besäufnis? Ja, bitte.

Saufen, Betrinken, Wegschissen. Mir fallen da ein paar Synonyme ein, wenn es um den mäßigen oder eskalierenden Konsum von Alkohol geht. Und verdammt, ich bin der Mensch, der nicht allzu viel trinkt, wenn er es aber tut, dann eben eskalierend. Mit Filmriss, Kotzorgie, komatösem Schlaf, völligem Ausrasten (entweder melancholisch oder sehr witzig. Aggressivität kann ich mit Alkohol nicht) und natürlich auch mit einem Kater am nächsten Tag, von dem ich jedes Mal wieder glaube, dass er mich umbringt (Die Reihenfolge ist variabel). Ich hatte schon einige Besäufnisse, die wohl mehr Gehirnzellen umgebracht haben, als gut für mich wäre. (Ich stehe nämlich mittlerweile schon bei der Frage "Wie geht’s es dir?" vollkommen auf der Leitung und sehe betreffende Person an, als hätte sie gerade meine Mutter beleidigt). Aber ich kenne Leute - manche sehr gut, manche besser und manche würde ich am liebsten auf den Mond schießen - die das regelmäßig machen und durch die kontinuierliche Zerstörung der grauen Masse, bei jedem erneuten Besäufnis noch blöder werden. Somit werden auch ihre Aktionen immer blöder. Und ich stehe dann oft da, gucke mir das an und runzle wahlweise die Stirn (Standard), schüttle den Kopf, lache, bis mir das Bier aus der Nase schießt, oder verdrehe die Augen und gehe. Weit weg.

Und in ganz seltenen Fällen klappt mir die Kinnlade runter und ich kann nur blöd und ungläubig zuschauen, was da grade passiert. (Ich sehe dabei nicht aus wie ein Fisch auf dem trockenen, sondern wie ein Esel, der gähnt. Wer mal nen Esel beim Gähnen gesehen hat weiß, dass das noch dämlicher aussieht als ein Fisch). Den gähnenden Esel hat mein Ex - Freund des Öfteren hervorgelockt.

Gleich vorne weg: Nein, ich habe nichts gegen meinen Ex - Freund. Wir waren zusammen und dann nicht mehr. Das nennt sich Leben und soll vorkommen. Alles was nachfolgend steht ist nicht als Beleidigung zu empfinden, auch wenn es sich so liest. Natürlich war ich in der Situation nicht besonders glücklich, mittlerweile kann ich aber selber sehr herzhaft darüber lachen. Denn eins lasst euch gesagt sein: mein Ex ist ein wahnsinnig humorvoller Mensch und seine Tollpatschigkeit, die in der nachfolgenden Geschichte geschildert wird, hat mich immer an so einen kleinen Labrador erinnert, der beim Rennen auf die Fresse knallt. Da kann man irgendwie nur Sternchen in den Augen kriegen und ein "Oooooh, süß" in einer extrem hohen Tonlage hervorpressen. Also, nun zur ominösen Geschichte, in der nicht ich peinlich bin, sondern nur genervt und zynisch.

 

Schatz ist heute auf einer Feier. Ich hocke angepisst daheim. Motze vor mich hin. Gucke Grey´s Anatomy und motze noch mehr. Schalte auf einen Horrorfilm um und stelle mir vor, dass der Typ, dem grad das Gesicht abgezogen wird, mein Freund ist. Ich bin kindisch, schon klar. Er geht feiern am Freitagabend und ich hätte mitkommen können, müsste ich nicht am nächsten Tag um 5 aus dem Bett. Schatz hat zur Abwechslung sogar mal gefragt, ob ich mitkommen möchte. Seltenes Geschenk und dann kann ich es nicht annehmen. Also eigentlich bin ich nicht auf ihn sauer, sondern auf die Arbeit. Oder mich. Ich hab mich noch nicht entschieden, ich bin eine Frau. Ich darf das.

(Stellt euch bitte mein Gesicht vor: zerknautscht, mit tiefer Wutfalte zwischen den Augenbrauen. Ich habe grade die Ähnlichkeit mit einer Perserkatze und die Motzigkeit von Grumpy Cat )

Relativ früh gehe ich zu Bett, grantig. Motze noch etwas vor mich hin.

(Ja, ich spreche sehr gern und sehr viel mit mir selbst. Sorgen mache ich mir eigentlich erst, wenn ich mit mir selber streite, mich beleidige und dann beleidigt nicht mehr mit mir spreche. Wenn ich dieses Stadium des Wahnsinns erreicht habe, dann sage ich Bescheid. Damit jeder weiß wo er die weißen Männer mit der "Hab - dich - lieb" - Jacke hinschicken soll.)

*Wumm* Ich sitze schnurgerade im Bett, bin hellwach und versuche mich mal zu orientieren. Wichtigste Frage zuerst: Wer bin ich und gibt es schon Kaffee?

Na klar, es könnte möglicherweise ein Einbrecher sein, der mich ermorden, vergewaltigen und ausrauben will (Reihenfolge variabel), aber das ist erst mein zweiter Gedanke. Kaffee schlägt selbst mordende, raubende und vergewaltigende Einbrecher. Nachdem ich das laute Geräusch als meine Wohnungstür identifiziert habe (und meine Nase noch immer keinen Kaffeegeruch wahrgenommen hat), werde ich kurzzeitig nervös, bis ich dann das Murmeln höre. Das Murmeln sind die leisen Flüche von Schatz. Ich schleiche zur Garderobe und gucke ihm fasziniert zu. Schatz hat solche Schuhe zum Schlüpfen. Das dauert nicht mal 30 Sekunden um da rein- und wieder rauszukommen. Aber mein geschultes Auge sieht sofort: Das waren mindestens 10 Bier zu viel. Schatz steht nämlich da und macht sehr umständlich seine nicht - vorhandenen Schnürsenkel auf. Die ausgestoßenen Flüche sind nicht sehr kreativ und behandeln vor allem ein Thema: Warum gehen die scheiß verfickten Schnürsenkel nicht auf, Gott verdammt, was soll dieser Mist, Dreck, Scheiß (hier noch ein paar Schimpfwörter einfügen). Wow, ich spüre den Anflug des gähnenden Esels. Zehn Minuten später - ja, ich hab auf die Uhr geschaut - hat er sich von den Schuhen befreit. Er ist dabei nur zweimal umgekippt und hat sie schlussendlich wütend grunzend gegen die Tür gepfeffert. Dann stürmt er aufs Klo. *WUMM*

Der werte Herr will wohl die Türen aus den Angeln heben oder unsere Nachbarn an diesem famosen Schauspiel teilhaben lassen. Ich schlüpfe ins Bett. Laut Uhr kann ich noch zwei Stunden pennen. HAHA, man kann sich denken, dass das nix wurde.

Ich höre vom Schlafzimmer aus, dass er pinkelt. Jetzt würde mich schon interessieren, was genau der Mann getrunken hat, dass er so laut pinkeln kann. Durch die geschlossene Klotür und die geschlossene Schlafzimmertür kann ich das hören. Und es dauert. Es müssen mindestens 5 Liter aus ihm gelaufen sein. Mittlerweile frage ich mich, ob da wirklich mein Freund steht und nicht ein Nilpferd.

Kurz darauf ertönt ein Furz. "Aahaaa" denke ich mir "frühmorgendlicher Soundcheck". Nachdem die Kloschüssel mehrmals gedröhnt hat und ich kurz dachte, ich wäre am Hamburger Hafen, höre ich erneut Wasser laufen.

Ich bete zu allen mir bekannten Göttern, dass er sich die Hände wäscht. Dann ein lautes Krachen. Der Mann macht mehr Lärm als diese komischen Vuvuzelas bei der WM in…ach, scheiß drauf, ich hasse Fußball und weiß nur selten wo die verschiedenen Spiele ausgetragen werden. Ich gehe also nachschauen. Ein Glas ist kaputt und er selbst ist ziemlich nass. Was auch immer er gemacht hat, es ging richtig schief. Und damit war der gähnende Esel losgelassen. Schatz selbst wankt ins Badezimmer (vielleicht doch noch zum Hände waschen?), fällt dabei mehrmals um und rennt einmal gegen den Türstock. Dieser Weg von sage und schreibe 7 Schritten, bewegt ihn zu einem verbalen Erguss, der mit Schimpfwörtern gespickt ist, von denen ich auch noch was lernen kann. Er versucht sich die Zähne zu putzen. Fällt dabei durch die Duschtüren (na was ein Glück, dass die Duschtüren eh nach innen aufschwingen, sonst hätte ich auch noch einen gläsrigen Igel versorgen können). Rappelt sich umständlich auf und fällt rückwärts in die Badewanne. Kopfschüttelnd ziehe ich ab und lege mich wieder in mein Bett. Gelobtes Wasserbett. Ich habe es geliebt. Bis zu dieser Nacht.

Schatz stolpert herein. Macht "Psssscht". Zu wem ist mir schleierhaft, aber ich überlege vorsichtshalber, ob ich mit dem Atmen aufhören soll. Geht aber nicht, ich bin Raucherin und jeder Atemzug ein Cliffhanger. Ich fordere mein Schicksal bestimmt nicht heraus. Schatz macht wieder "Pssssccht". Er ist in der Zwischenzeit ums Bett herumgestolpert und versucht sich nun seiner Kleidung zu entledigen. Der Gürtel macht es ihm sehr schwer. Er hampelt von einem Bein auf das andere, flucht zwischenzeitlich, versucht das Gleichgewicht zu halten, fummelt am Gürtel herum und herrje, er muss ja auch noch atmen. So viel gleichzeitig kriegt Mann von Welt trotzdem nicht gebacken. Er fällt erneut um. Ich höre schon die Jammerei, was ihm nicht alles weh tut, wenn er wieder nüchtern wird. Bei der Menge an Alkohol, die er augenscheinlich gekippt hat, befürchte ich jedoch, dass das mindestens einen Monat dauert.

Er hat es nach weiteren 30 Minuten geschafft. Aber jetzt kommt etwas, mit dem ich nicht gerechnet hab: Ich erwähnte ja, dass ich mein Wasserbett bis zu dieser Nacht liebte. Nun, mein Ex hat mir das gründlich ausgetrieben.

Schatz schmiss sich mit einem gewaltigen Satz ins Bett und löste damit einen Tsunami aus, sodass ich auf der anderen Seite herausfiel und ziemlich unsanft auf dem Boden landete.

Ein Wasserbett hat viele tolle Eigenschaften, aber einen Nachteil: Wellen. Ja, man kann damit Wellen auslösen. Und sich damit verletzen.

Schatz rollt herüber und fragt "Wasch mascht du da untn? Hasch dir weh getan?".

Der gähnende Esel überfällt mich.

Ich klettere umständlich zurück ins Bett, nur Sekunden nach der grenzdebilen Frage. Da schläft mein Freund aber schon komatös und schnarcht so laut, dass mir die Ohren klingeln. Mein Gott, hat er irgendwo Lautsprecher eingebaut? Das Schnarchen löst eine Welle von Hundegebell in der Nachbarschaft aus, so laut ist es.

Und dann dreht Schatz sich um. Und er macht das nicht wie normale Menschen. Nein, das muss schon krachen. Er nimmt seinen ganzen Körper und wirft ihn in die Luft, während er sich dreht. So schnell kann ich gar nicht schauen, liege ich erneut unsanft am Boden. Ich rapple mich auf, gucke auf den Wecker und stöhne. Eine halbe Stunde noch, ehe ich aufstehen muss. Ich werfe Schatz meinen besten Todesblick zu und bin schon sehr enttäuscht, als sein Schädel nicht explodiert. Danach schlurfe ich in die Küche und mache mir Kaffee. Mit Kaffee bin ich entspannter. Da kann ich nochmal die Füße hochlegen, bevor ich die Wohnung zu Kleinholz verarbeite und meinen Freund nach Timbuktu schieße! Scheiße nochmal !

 

Besoffene, sie geben einem so viel zurück. Blaue Flecken zum Beispiel, oder Schädel - Hirn - Traumata, wenn man auf den Boden knallt.

 

Aber auch mein Ex hatte es nicht so leicht mit mir, das darf man nicht vergessen, denn ich war auch hin und wieder besoffen. Ich konnte zwar das Gleichgewicht halten, habe aber ein unglaubliches Talent beim Kotzen. Und mein Ex die unglaubliche Freude, dies auch aufzuwischen. Wir blieben uns halt nichts schuldig, oder, wie Alan Harper in Two and a half Men so schön sagte: "Am Arsch sind wir quitt!"

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Kommentare: 3
  • #1

    Josephine (Donnerstag, 21 Juni 2018 03:08)

    Eigentlich bin ich tot müde. Aber wie soll ich schlafen gehen, bevor ich alles von dir gelesen habe ? � Ich kann es mir bildlich sooo gut vorstellen und hab echt geheult vor Lachen. Danke dir! �

  • #2

    Nadine (Donnerstag, 21 Juni 2018 05:13)

    Einfach nur genial ��

    Das Schreiben, wurde dir in die Wiege gelegt

  • #3

    Jassi (Donnerstag, 21 Juni 2018 07:56)

    Mega gut.
    Ich kann jetzt mit guter Laune zur Arbeit.
    Wobei bei mir, in deiner Situation, bestimmt der Mutterinstinkt geweckt worden wäre.
    Ich kann so ein armes, betrunkenes Baby nicht allein seinem Schicksal überlassen ��
    Ich hätte ihm geholfen, es gefilmt und ihn am nächsten morgen ausgelacht.
    Wäre bestimmt auch schneller gegangen �