Pickelprinzessin oder: Was macht der Pizzabelag in meinem Gesicht?

Ich war vor kurzem am Badesee. Dreißig Grad im Schatten, Mücken überall wo man hingeht und ne Luftfeuchtigkeit von ca 300%. Was macht Daisy normalerweise an nem See? Richtig. Leute beobachten! Natürlich geh ich auch mal schwimmen. Im Gegensatz zu den meisten Mädels dort läuft mein Gesicht nämlich nicht weg, wenn es mit Wasser in Berührung kommt. Aber an diesem Tag war ich mehr damit beschäftigt Menschen zu beobachten und das Schönheitsideal herauszufiltern.

 

Die zwei Frauen, die mir auffallen sehen auf den ersten Blick wahrlich natürlich aus. Bei genauerem Hinsehen erkennt man aber, dass sich Ströme von Make - Up, aufgelöst durch den Schweiß, über die Stirn und die Wangen bis hinunter zum Dekolleté ergießen. Warum schminkt man sich am Badesee? Ganz einfach: Die Herren der Schöpfung brüllen auf jedweden Social - Media - Kanälen nach Natürlichkeit bei Frauen. Sie wollen keine Frau, die sich 5 Kilo Make - Up ins Gesicht punsht. Das Problem: Gar kein Make - Up ist auch nicht richtig, denn Pickel so groß wie der Kilimanjaro, Wimpern, die abgerissenen Fliegenbeinen gleichen und ungleich geformte Lippen finden die Herren nämlich auch zum Davonlaufen. Frauen gehen dagegen also vor und klatschen sich statt 5 Kilo ganze 35 Kilo ins Gesicht, aber eben so natürlich wie möglich. Der Kit, der da im Gesicht festfriert kann abends nur mit Hammer und Meißel entfernt werden. Glaube ich zumindest.

Woher weiß ich um das Problem, dass Männer davonlaufen, wenn gar kein Make - Up im Spiel ist?

Mein Gesicht mag Make - Up nicht so gern, ich bin gegen fast jedes Produkt allergisch und bekomme Hautreizungen. Meine Schminkutensilien bestehen traurigerweise aus: Wimperntusche, Kajal, Eyeliner und Lippenstift. Ich hab auch noch ne ewig alte Lidschattenpalette, aber bei der hab ich Angst, dass sie mir die Augenlider zerfrisst.

Nun sieht mein Gesicht also wie folgt aus: Wangen, Kinn und Lippenränder werden verziert von Pickeln jeder Größe, Form und Farbe. Die Stirn wäre eigentlich schön, aber da haben sich Falten eingegraben, vom vielen Stirnrunzeln. Ich lebe schon lang genug in dieser Gesellschaft und die meisten Menschen lösen bei meiner Stirn ein reflexartiges Zusammenziehen derselbigen hervor.

Nun, zusammengefasst: Mein Gesicht sieht aus wie die Füllung der letzten Calzone, die ich hatte, und Männer finden das nicht so toll. Da für mich der "No - Make - Up - Look" also ausfällt, begnüge ich mich damit, den Paarungsritualen der Anderen zuzusehen und mir meine (viel zu bösen) Gedanken zu machen.

Aber auch die Männer haben ihr liebes Leid mit den "natürlichen" Frauen. Denn das Schönheitsideal der Frauen wird geprägt durch Männer wie Channing Tatum, David Beckham und anderen Muskelbergen, die sich in den Hollywood - Blockbustern bei jeder Gelegenheit das Shirt sehr sexy vom Leibe reißen, während sie durch den strömenden Regen laufen, um die perfekte Frau (natürlich mit No - Make - Up) aus den Fängen eines Bösewichtes zu retten und sie dann herzhaft zu küssen. Welcher Dame ist nun gerade kein Seufzer über die Lippen gegangen?

Dachte ich mir doch.

Und während ich da so am Badesee hocke und die zwei Frauen beobachte, wie sie sich am Steg in ihren knappen Bikinis räkeln, da fallen mir zwei Herren auf, die, ähnlich tuschelnd wie zwei 12 - Jährige Mädchen, die Damen mit der Solariumbräune und den knappen Bikinis auschecken. Hier sollte ich wohl eine FSK 16 Beschränkung einführen, jedoch scheißt da sowieso jeder drauf, also seid einfach nur gewarnt: Wenn die zwei Herren das gut lösen, könnte ein Soft - Porno draus werden. Wobei ich daran zweifle. Es sind Mitt - 20iger, die lösen nichts gut. Außer ein Parkticket.

Weiter im Text:

Auch die zwei Frauen haben die Typen bemerkt und es beginnt dieser rituelle Paarungstanz, wo die Frauen immer wieder Blicke und laszives Lächeln rüberschicken, die Männer hingegen sich besonders blöd anstellen, um die Aufmerksamkeit zu erhalten, die sie zwar eigentlich schon haben, aber Sicherheit geht vor. Von Weniger ist mehr und sowas haben die scheinbar noch nichts gehört. Wäre ich nicht so herrlich arrogant und selbstbewusst, würde ich mich wohl jetzt fremdschämen und wegschauen. Oder mich gleich ersäufen. Da ich aber damit, und zusätzlich auch einer beinahe ungesunden Neugier, ausgestattet bin, beobachte ich die Szene weiter. Die Herren sind noch zu weit weg, um richtig etwas zu erkennen, aber sie nähern sich langsam und ich fühle mich plötzlich an eine Jagd erinnert. Ob die Frauen wohl als tote Rehe enden wollen? Lassen wir uns überraschen.

Die Männer sind nun so weit bei ihnen, dass man sie gut erkennen kann. Und man kann auch erkennen, wie sich das Interesse der Frauen verändert. Die Typen (nennen wir sie Humpdy und Dumpdy….denn sie sind wirklich ein paar Eierköpfe) sind nämlich etwas unterschiedlich. Humpdy ist ein Muskelberg. Wobei er so aufgeblasen aussieht, dass ich mir sicher bin, die Gelnägel der Damen zerkratzen ihm nicht nur den Rücken, sondern lassen ihn auch platzen. Er hat Ähnlichkeit mit einem Luftballontier, nur sind seine Gliedmaßen definierter. Außerdem hat er die Ausstrahlung eines toten Fisches und sein Gesicht ähnelt einem Mops. Dumpdy ist süß, wenn ich das so beurteilen darf. Er ist normal gebaut, weder spindeldürr noch extrem dick, noch extrem durchtrainiert, so wie Humpdy (wobei Humpdy bestimmt nicht trainiert, außer das Führen der Hand zum Mund, wenn er sich Anabolika und Steroide reinschmeißt). Dumpdy sieht normal aus, hat jedoch sehr schöne Augen, die Ausstrahlung eines George Clooneys und sein Gesicht muss man nicht mit einer Mülltüte verdecken.

Wie ich beobachte, konzentriert sich das Interesse der beiden Frauen (Blondie und Brownie, wie ich sie nenne. Erklärung hier wohl nicht notwendig) auf einen der beiden. Ihr erratet sich wer es ist.

Klar: HUMPDY. Denn wir erinnern uns: Channing Tatum, strömender Regen, romantische Errettung, Brechreiz.

Oh, sorry, der Brechreiz kam von mir. Menschen lösen bei mir halt nicht nur Stirnrunzeln aus.

Dumpdy gibt nach ein paar Minuten auf. Kluger Dumpdy. Er verzieht sich ans andere Ende des Sees, wo es einen kleinen Biergarten gibt. Dumpdy wird immer sympathischer.

Aber vor mir spielt sich gerade etwas weitaus interessanteres ab. Der Kampf um Humpdy.

Blondie und Brownie geben sich alle Mühe, die andere auszustechen. Der Paarungstanz geht weiter, mit übertrieben lauten Gelächter ob Humpdys dümmlicher Witze (Flachwitz bekommt da eine ganz andere Bedeutung), Brüste zusammenknautschen (aber so unauffällig wie möglich. Falls jemand weiß, ob das wirklich unauffällig geht, bitte sagen) und ständige Berührungen und Bewunderungen der Muskelberge (die ich nach wie vor abnormal finde. Und gruselig.)

Ich kürze das ganze ab: Humpdy nimmt beide mit und ob er sich letztendlich für eine entschieden hat werde ich nie erfahren.

Was ich aber erfahren habe: Dumpdy und ich fallen sehr offensichtlich aus dem Schönheitsideal. Und zwar vollkommen und unwiderruflich. Wir werden also wohl einsam und alleine sterben. Schade für Dumpdy. Ich bin da sehr froh drüber, ansonsten müsste ich meinen Brechreiz kontrollieren lernen.

Wir hätten sehr wohl alle Möglichkeiten, um dies zu ändern. Dumpdy müsste trainieren, oder mit Humpdy Anabolika teilen. Ich müsste einfach nur ein hautverträgliches Make - Up finden und zack: Wir würden solch widerlichen Paarungstänze bei dreißig Grad an stinkenden Seen durchführen.

So wie Dumpdy begnüge ich mich aber mit Bier, denn ganz ehrlich?

Ich stehe zu dem Mondkrater, den ich mein Gesicht nenne. Ich habe nichts gegen meinen Pizzabelag einzuwenden und ich sage auch offen: Ich bin eine Pickelprinzessin.

Die eine Stunde Zeit, die ich bräuchte, um das alles zu verdecken und zu verstecken nutze ich lieber für ein Buch, ein bisschen Yoga, ein nettes Gespräch mit meinen Nachbarn. Oder, oder, oder. Und die eine Stunde, um die Masse wieder aus meinem Gesicht zu entfernen, ja die nutze ich fürs Kuscheln mit meinem Hund, für ein Telefonat mit meinem Neffen. Oder ich beobachte den Sonnenuntergang, irgendwo am See, oder Fluss.

Denn ganz ehrlich? Ich genieße, trotz dem andauernden Stirnrunzeln und Brechreiz, das Leben in dieser Welt lieber, als mehrere Stunden meines Tages etwas aufzuschminken, was ich die meiste Zeit eigentlich nicht bin.

Die Erkenntnis dieses heißen Tages war für mich eine einzige:

 

In dieser Welt tragen alle Menschen Masken, profilieren sich auf Social - Media - Kanälen und geben sich einem Schönheitsideal hin, dass ihnen Menschen vorschreiben, die sie nicht mal kennen. Und gerade in dieser Welt, ist es beinahe schon ein Privileg, die reine Seele eines Menschen zu erblicken. Bei mir beginnt die nunmal mit dem Pizzabelag im Gesicht. Denn genau so unperfekt wie mein Gesicht ist auch meine Persönlichkeit. Und das schätze ich sehr.